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Über Prana und Vayus

ein Beitrag von Hans Deutzmann

Oft werden im Zusammenhang von Yoga in unklarer Weise Begriffe wie prana, vayus, nadis und chakren genannt.

Diese Begriffe entstammen einer langen Tradition und wurden immer wieder ganz unterschiedlich verwendet. Schauen wir uns die Begriffe einmal etwas genauer an:

Bis auf wenige Ausnahmen werden in traditionellen Yogatexten die Worte

vayu
vata
prana
pavana
samirana
anila
maruta
marut
prabhanjana

als Synonyme verwendet. Da dies einige Verwirrung schafft, ist es notwendig, die Begriffe in ihrem jeweiligen Kontext zu verstehen.

Vayu in der vedischen Mythologie

Das Sanskrit Wort “vayu” bedeutet Wind, Raum oder Luft. Vayu  „Wind“, „Luft“), auch Pavana (Sanskrit पवन „Reinigender“) ist der vedische Gott des Windes, der Luft und des Lebenshauches (Prana) und dessen Personifizierung. Im Rigveda  wird ihm eine Hymne ganz gewidmet. Mit Indra und Agni bildet er eine vedische Göttertriade.

Vayu

Vayu in der yogischen Literatur

Der Begriff der Vayus taucht in der Geschichte immer wieder durchgehend auf, in Geschichten, Legenden, im Yoga Sutra, den Hatha Yoga Texten und in Bezug auf Pranayama.

Die verschiedenen Bedeutungen des Begriffes vayu  können  differenziert werden als

  1. Atem als die Luft, die ein- und ausgeatmet wird
  2. Prana, welcher vom nabhi-mula (Nabel) zum Kopf geführt wird, aber ebenso zu jedem anderen Teil des Körpers geleitet und dort für eine kürzere oder längere Zeit gehalten werden kann
  3. Leben, oft auch als vayavah im Plural gesetzt, und bezeichnet so die mit 10 bezifferten verschiedenen Reflexe des autonomen Nervensystems
  4. Das maha bhuta (Element) vayu
  5. Die Region des Körpers, in dem sich das maha bhuta (Element) vayu verortet wird
  6. Nahrung, die alle Bereiche des Körpers erreicht, z Bsp allen voran Sauerstoff
  7. Die Kontraktion von Muskeln um bestimmte Handlungen zu vollziehen
  8. Aus dem Kontext des Ayurveda wird das vata dosha so bezeichnet, also das Element welches Dinge trocknet
  9. Eine bestimmte mentale Haltung

Alle diese Bezeichnungen haben etwas mit Leben zu tun, und das Leben ist jeweils mit Bewegung assoziert. Vayu und seine Synonyme beschreiben also mit Bewegung verbundene Lebensprozesse, aber weisen auch darüber hinaus. Benannt werden Funktionen wie

  • Atmung
  • Einatmung
  • Ausatmung
  • die eingeatmete Luft
  • die ausgeatmete Luft
  • die 10 vitalen Reflexe
  • die Ernährung und Nahrung
  • die Kontraktion von Muskeln

Diese Funktionen sind der Ausdruck einer lebendigen Aktivität. Trotz dieser gemeinsamen Merkmale  bleibt ein Verständnis aber aus, wenn  die Begriffe nicht in ihrem jeweiligen Kontext passend übersetzt und interpretiert werden.

Prana in der yogischen Literatur

Das Wort prana wird oft als Synonym für vayu verwendet. In der yogischen Literatur finden sich wiederum verschiedene Bedeutungen des Begriffes „Prana“. Das Wort Prana wird in der Yoga Literatur ebenfalls in einem weiten Feld von Kontexten verwendet.

Es bezeichnet

  • funktionelle Prozesse in lebenden Organismen, besonders des autonomen Nervensystems in verschiedenen Bereichen des Körpers
  • ein kosmisches energetisches Prinzip, welches als Evolution des  Unmanifestierten die physischen und materiellen Aspekte der Manifestation durchdringt.
  • Prana hat einen statischen und einen dynamischen Aspekt, wenn von prana sakti (als potentielle Kraft) und prana vayu (als Energiefluss) gesprochen wird.

Im einzelnen können folgende Bedeutungen unterschieden werden:

  1. „Lebenskraft“ als Prinzip aller Lebewesen
  2. Symbol für Brahman, etwa in der Taittiriya Upanishad

Homage to you, O Vayu! I will proclaim you
And you alone as the Visible Brahman!
I will proclaim you as the right
I will proclaim you as the true
satya.

  1. Ein vibrierender, pulsierender oder kreisender Typ von Energie
  2. Ein Lebensprozess, der alle Aktivitäten von allen Lebewesen regiert
  3. Atemluft
  4. Die Luft, die bei der Ausatmung ausgeatmet wird
  5. Der Stimulus der Ausatmung
  6. der Atemimpuls, der den Vorgang des Atmens mit der Ein- und Ausatmung verursacht
  7. Nervenimpulse oder Wahrnehmungen, die in verschiedenen Teilen des Körpers stattfinden
  8. vitale Reflexe, welche die vitalen Funktionen in Bezug zu bewussten und unbewussten körperlichen Aktivitäten ausprägen

In den Hatha Yoga Texten werden die Vayus in 10 verschiedene Funktionen oder Bereiche unterteilt.  So wird in der Gheranda Samhita und anderer Hatha Yoga Literatur auf  2 Gruppen von Vayus hingewiesen, den Pranadi – Vayus  und den Nagadi – Vayus.

Pranadi (betreffend Prozesse im inneren des Körpers)

prana  aktiv in der  Region „Herz“ von der Brust bis zu Nase und Mund, reguliert die Atmung

apana  aktiv in der Region „Anus“  vom Bauch bis zu den Fusssohlen, zuständig für Ausscheidungen

samana aktiv in der Region „Nabel“  von der Brust bis zum Bauch, zuständig für die Verdauung und Verteilung der Nahrung in den Körper

udana aktiv in der Region „Kehle“ von der Nase/ Mund zum Kopf, zuständig für Sekrete und Flüssigkeiten

vyana aktiv im ganzen Körper, zuständig für vielfältige Bewegungen des Körpers

Übereinstimmend wird den Pranadis eine größer Bedeutung beigemessen, und hier besonders

PRANA und APANA

Die Pranadi Vayus bedingen das, was als Lebensprozesse oder jivana (der Begriff wird von dem Kommentator des Yogasutra, Vyasa verwendet) bezeichnet wird, und in den verschiedenen Bereichen des Körpers als vitale  autonome Funktionen identifiziert werden kann. Die weniger wichtigen Nagadi- Vayus und ihre Funktionen werden wie folgt beschrieben:

Nagadi (betreffend Funktionen im äusseren Bereich des Körpers)

naga  die Schlange- bewirkt das Aufstossen

kurma die Schildkröte – bewirkt das Öffnen der Augenlider

krikara  der Pfeffer – erzeugt Hunger und Durst

devadatta  ist von Gott gegeben – bewirkt das  Gähnen

dhananjaya der Siegreiche erzeugt den Schluckauf

In anderen Texten wird gesagt, dass

–  Die normale Ein und Ausatmung beide durch PRANA verursacht werde

–  APANA sei  für die drei Phasen des Pranayama verantwortlich, namentlich für   Recaka,  Kumbhaka und Puraka

–  Vyana beseitige Unregelmässigkeiten und Störungen in den Nadis

Wer den Begriff des Prana verwendet, sollte sich also zumindest über die verschiedenen Kontexte bewusst sein, in denen der Begriff mit verschiedenen Bedeutungsinhalten verwendet wird.

Besondere Aufmerksamkeit gilt im Yoga mit der Betonung von Prana und Apana – Vayu scheinbar der  Atmung, der Aufnahme von Nahrung und der Ausscheidung.

Abschließende Überlegungen

Die Begriffe Prana und Vayu werden oft als Synoyme verwendet. Sie haben mit „Leben“ und „Lebenskraft“ zu tun. Prana meint hier einerseits die elementare Kraft, die der Entstehung des ganzen Universums zu Grunde liegt und die Evolution der Welt in ihre heutige Form verursacht hat.  Die Schaffung der Welt ist allerdings beendet, es wird nicht grundsätzlich Neues mehr geschaffen. Diese Kraft wird auch als „Kundalini“ bezeichnet, die  nun „schläft“, dh sie ist latent vorhanden, hat aber keine Funktion mehr.  Davon abzugrenzen ist die  Kraft, die die Bewegung und Veränderung innerhalb des Geschaffenen weiter trägt. Sie wird manchmal als Tanz Shivas dargestellt.  Wenn der Tanz endet, endet die Welt.  Einer ihrer Ausdrücke ist die Lebenskraft, die Lebewesen eben zu lebendigen Wesen macht. Ohne „Hauch“ oder Prana ist das Lebewesen tot.  Prana manifestiert sich im Körper in verschiedenen Funktionskreisen, die Ähnlichkeiten mit anatomischen Begriffen haben wie Atmung, Verdauung, Ausscheidung und Bewegung. Im Kontext von Pranayama meint Prana Luft, aber manche glauben auch, es handele sich bei Prana auch um eine Art von Energie, die man aufnehmen, konzentrieren und im Körper verteilen könne. Die korrekte Funktion der körperlichen und geistigen Strukturen lasse sich durch „mehr und besseres Prana“ optimieren. Zudem müssten aber auch die „Nadis“, das wären kleine Kanäle, in denen Prana sich bewegt, wie Nerven und Gefässe, „gereinigt“ sein. Besseres Prana findet sich demzufolge in der frischen Luft, in der passenden und hochwertigen Nahrung, in der Natur und in guter sozialer Interaktion.

Ob man also Prana wie eine Art „Nahrung“ zu sich nehmen kann? Gibt es etwas wie „Nadis“, welche diese „Energie“ nur dann verwerten kann, wenn sie „gereinigt“ sind“

Könnte es sein, das die Aufnahme von viel Prana nichts nützt, wenn es nicht vom Körper verwertet und verteilt werden kann?

Zweifellos wird sich die Qualität der Nahrung, der Luft, des Wassers usw auf unsere Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit auswirken. Wir brauchen bestimmte Stoffe, die wir aus der Nahrung beziehen. Diese Stoffe wie Vitamine und Mineralien könnten als „Prana“ identifiziert werden. Auch unsere soziale Umgebung kann förderlich oder hinderlich sein, also viel oder wenig Prana enthalten.

Vielleicht lassen sich diese aus Beobachtung gewonnenen Begriffe sinnvoll übersetzen.
Zweifellos müssen auch das Nervensystem, das endokrine System und der Stoffwechsel gut funktionieren, um das Prana aus den aufgenommenen Stoffen als „Energie“ dem Körper und dem Geist erfolgreich zur Verfügung zu stellen.

In Hinblick auf die Yogapraxis können sich aus diesen Überlegungen von interagierenden Funktionskreisen nützliche Implikationen ergeben, ohne einem abergläubischen Mystizismus zu frönen.

Hans Deutzmann, 14.11.2014

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